Artikel für den „Schöpf Blog“. Tirol, im März 2023

Das Skifahren hat seit Jahren keine gute Presse. Genauer gesagt wird das Image des Skifahrens zunehmend katastrophal. So wird unter anderem der CO2-Ausstoß beim Skifahren (bzw. des Skitourismus) sehr kritisch beäugt. In der öffentlichen Debatte wird neuerdings gefragt: „Wo bleibt die Ski-Scham?“

Abb. 1: Deutschlandfunk Kultur, 27. Dezember 2019

Der Journalist Bernd Oswald fragt auf der Webseite des Bayerischen Rundfunks am 16. Dezember 2020: „Darf man noch Skifahren?“ Oder mache „man sich da nicht schuldig?“

Andreas Lesti von der renommierten FAZ fragt am 15. Dezember 2019: „Ist Skifahren noch zeitgemäß?“ Und weiter im Text folgt ein hochinteressanter Satz: „Aber die Frage, ob es grundsätzlich falsch sein könnte Ski zu fahren und ob man diese schönste und eleganteste aller Sportarten besser bleiben lassen sollte, die hat man sich nicht gestellt. Bis jetzt.“

Die Hauptgründe für die negative mediale Berichterstattung über den organisierten Skisport sind – neben den Natur- und Landschaftseingriffen – sein Ressourceneinsatz (u. a. für die technische Beschneiung) und, daran anknüpfend, die Summe seiner CO2-Emissionen. Damit, so der allgemeine Tenor, würde der ohnehin sehr klimasensible Skisport den globalen Klimawandel zusätzlich anschieben.

Wie aber sieht die CO2-Bilanz des Skifahrens aus? Muss man sich für das Skifahren schämen? Werfen wir einen Blick auf die neuesten Erkenntnisse der Wissenschaft. Ich beziehe mich auf zwei prominente Quellen: Das Buch Tourismus und Klimawandel (Quelle Nummer 1), das den aktuellen Stand der Wissenschaft zusammenfasst, und eine Studie des Umweltbundesamtes (Quelle Nummer 2). Nähere Angaben zur Literatur finden Sie am Ende dieses Aufsatzes.

1. Was sind die größten CO2-Treiber eines Skiurlaubes?

  • An- und Abreise. Bei einem Winterurlaub fällt der Großteil des CO2 bei der An- und Abreise an. Studien gehen im Mittel von etwa 2/3 aus, einzelne Studien sogar bis zu 74 %. Bei der An- und Abreise finden sich somit die stärksten Hebel für CO2-Reduktionen. (1, S. 114)
  • Beherbergung und Gastronomie sind die nächstgrößten CO2-Treiber. (1, S. 114)
  • Der Pistenservice und die spezifische Wintersportinfrastruktur tragen nur mit etwa 1,9 bis 3,8 % zur Gesamt-CO2-Erzeugung eines Winterurlaubes bei. Das bedeutet, dass in diesem Bereich der potenzielle Hebel für Verbesserungen gering ist. (1, S. 114)
  • PRÖBSTL et al. (2020) bezeichnen den Energieaufwand „für die Aktivitäten der Gäste – selbst für den Wintersport mit Beschneiung und Pistenpräparierung“ – gegenüber jenem für An- und Abreise sowie Beherbergung und Gastronomie als „unbedeutend“.
    (1, S. 244)

Eine Studie des Umweltbundesamtes in Österreich aus dem Jahr 2018 bringt ähnliche Ergebnisse:

  • „Den größten Einfluss hat die Anreisedistanz.“ (2, S. 2)
  • Bei Strecken bis 750 km spielt die Wahl des Verkehrsmittels eine große Rolle. (2, S. 2)
  • Es folgt die Unterkunft.
  • Die Aktivitäten vor Ort weisen im Sommer- wie im Winterurlaub die geringsten Treibhausgasemissionen auf. Sie spielen eine „untergeordnete Rolle“. (2, S. 2)
  • Das Umweltbundesamt quantifiziert den Anteil der Treibhausgase durch das Skifahren bei einem Skiurlaub in Österreich mit Pkw-Anreise mit etwa 17,6 %, bei einer Anreise mit Flugzeug bei 2,7 %. (6, S. 11)

2. Die CO2-Bilanz des Skiurlaubes in Relation

  • Bei einem Sommerurlaub in Österreich fällt in etwa gleich viel CO2 an wie bei einem Winterurlaub.   (1, S. 115)  (2, S. 1)
  • Ein Sommerurlaub in Italien bilanziert bereits massiv schlechter als ein Sommer- oder Winterurlaub in Österreich.   (1, S. 115)  (2, S. 1)
  • Eindeutig ist jedoch, dass die Treibhausgasemissionen einer Flugreise jene eines Winterurlaubs in Österreich um ein Vielfaches übersteigen. (1, S. 115)   (2, S. 1)
    Eine Urlaubsreise zu den Malediven hat den 22-fachen CO2-Footprint eines Skiurlaubes in Österreich mit Bahnanreise.  (2, S. 1)
  • Ein Sommerurlaub in Spanien hat den achtfachen CO2-Footprint eines Skiurlaubes in Österreich mit Bahnanreise.  (2, S. 1)
Abb. 2: Die Treibhausgasemissionen in kg CO2-Äquivalent der unterschiedlichen Urlaubsformen, bezogen auf den Tag und pro Person. © Umweltbundesamt (2018)  

3. Ist ein CO2-schonender Skiurlaub möglich?

  • Ja, wenn man auf die An- und Abreise achtet. Je kürzer die Reisedistanz desto besser. Eine Anreise mit der Bahn ist ideal.
  • Bei der Unterkunft ist eine niedrige Kategorie meist CO2-freundlicher. Allerdings gibt es auch Vorzeigebeispiele in der Qualitätshotellerie.
  • In Bezug auf die Gastronomie sind regionale Produkte zu bevorzugen.
  • Die Wahl der Aktivitäten vor Ort spielt eine geringe Rolle: Es ist aus Sicht der CO2-Emissionen praktisch egal, ob Sie Ski fahren, eine Skitour unternehmen oder wandern.

4. Wo werden aktuell Verbesserungen geplant?

Bei der An- und Abreise bieten jene Skiorte, die an der Bahn gelegen sind, attraktive Packages an. Österreichweit führend sind Snowspace Salzburg und die Gasteiner Bergbahnen. Das Skigebiet Silvretta Montafon setzt auf Elektromobilität. Seine E-Ladegarage ist die weltweit größte, die es in einem Skigebiet gibt.

Bei der Pistenpräparierung werden derzeit vonseiten der Hersteller von Pistenmaschinen zahlreiche Innovationen hinsichtlich Wasserstoff-Motoren und batterieelektrischer Lösungen vorangetrieben. Ebenso gibt es neue, CO2-schonende Treibstoffe für Verbrennungsmotoren, beispielsweise HVO („Hydrotreated Vegetable Oil“). Für mehr Informationen am besten „Dr. Google“ befragen! 😊

Die technische Beschneiung ist so CO2-neutral wie der Strom, mit dem sie betrieben wird. In Zukunft werden Skigebiete deutlich mehr als bisher direkt vor Ort Strom produzieren (müssen).

Zur Beantwortung der Eingangsfrage: Muss man sich für das Skifahren schämen?

Diese Frage kann nicht objektiv beantwortet werden – es ist eine gesellschaftspolitische Frage. Meine persönliche Ansicht: Nein, man muss sich nicht schämen, wenn man einige der in diesem Beitrag angeführten Punkte berücksichtigt.

Alle Quellenangaben sowie weitere Informationen für Interessierte

Auf dem YouTube-Kanal „Günther Aigner – ZUKUNFT SKISPORT“ finden Sie dieses Thema in einem kurzweiligen Videovortrag aufbereitet.

Auf www.zukunft-skisport.at/videos finden Sie den umfangreichen Foliensatz „Skifahren und CO2“ mit allen Quellenangaben zum Download.

Zum Autor

Günther Aigner (* 1977 in Kitzbühel) ist einer der weltweit führenden Zukunftsforscher auf dem Gebiet des alpinen Skitourismus. Mit dem 2013 gegründeten Unternehmen ZUKUNFT SKISPORT bietet er Beratungs- und Marketingdienstleistungen auf der Basis von „Forschung aus der Praxis für die Praxis“. ZUKUNFT SKISPORT möchte als Bindeglied zwischen dem akademisch-wissenschaftlichen Denkraum und den alpintouristischen Praktikern verstanden werden. Hierbei wird ein ganzheitlicher und interdisziplinärer Ansatz verfolgt. Günther Aigner gibt sein Wissen als Gastlektor an Hochschulen in Europa und Asien weiter. Außerdem nimmt er in den Medien als Experte am öffentlichen Diskurs teil. Als „Speaker“ hält er Fachvorträge im In- und Ausland.

Literatur

(1) PRÖBSTL-HAIDER, Ulrike; LUND-DURLACHER, Dagmar; OLEFS, Marc; PRETTENTHALER, Franz (Hrsg.) (2020): Tourismus und Klimawandel. Österreichischer Special Report Tourismus und Klimawandel (SR 19), Springer Verlag Berlin, Heidelberg, S. 115. https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-662-61522-5

(2) UMWELTBUNDESAMT (2018): Vergleichende Treibhausgasbilanz typischer Arten von Urlauben. Zusammenfassung (PDF), 17 Seiten. Eine Downloadmöglichkeit im Web konnte nicht gefunden werden. Das PDF sende ich auf Anfrage gern zu.
Das 2-seitige „Factsheet“ können Sie hier downloaden:
https://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/aktuelles/2018/treibhausgasbilanz_urlaubsreisevergleich_factsheet2018.pdf